Fischbesatz
Struktur statt Besatz
Bestandsbewertung - Besatz
Im Falle von Besatzmaßnahmen ist zu bedenken, dass im Übermaß eingesetzte Fische zu den naturgemäß aufkommenden Fischarten in Nahrungskonkurrenz treten und eventuell sogar die bodenständigen Fische gefährden können. Man kann durch falschen Besatz also völlig an den natürlichen Gegebenheiten des Gewässers vorbei wirtschaften. So wäre es z.B. ein Unding, würde man Karpfen in einen Gebirgsbach aussetzen. Umgekehrt wäre der Fall, würde man Forellen in einen Karpfenteich setzen. Die hohen Wassertemperaturen und der geringere Sauerstoffgehalt wären reine Tierquälerei.
Die Beurteilung des Gewässers im Hinblick auf die Eignung als Lebensraum für bestimmte Fischarten muss immer an erster Stelle stehen. Bevor überhaupt Fische in einem Gewässer ausgesetzt werden, muss also entschieden werden, ob Besatzmaßnahmen unter fischereilichen Gesichtspunkten sinnvoll und unter gewässerökologischen Gesichtspunkten vertretbar sind. Die zentralen Fragen sind: Ist überhaupt Platz für Besatzfisch und kann das Gewässer alle Fische – besonders die Brut - ernähren?
Zwei Beispiele: Rotaugen und Schleien
Erfahrungen und die Auswertungen von zahlreichen Besatz- und Fangstatistiken
zeigen, dass Besatzmaßnahmen nur dann lohnenswert sind, wenn vorhandene Beeinträchtigungen (fehlende Struktur), die der Entwicklung der Schleien entgegenstehen, beseitigt sind.
Ferner ist zu beachten, dass der Karpfenbestand nicht hoch sein sollte. Die Erfahrungen verschiedener Fachleute haben gezeigt, dass sich Schleien in solchen Gewässern, die eine hohe Karpfendichte aufweisen, nur schlecht entwickeln.
Da das Rotauge eine äußerst anpassungsfähige Fischart ist, pflanzt es sich auch in den meisten Gewässern selbstständig fort. Besatzmaßnahmen mit Rotaugen sollen nur durchgeführt werden, wenn diese von den Dezernenten der entsprechenden Bezirksregierungen oder von den Fachbiologen der Verbände als sinnvoll beurteilt werden.
Was sagt die Wissenschaft?
Zwei große aktuelle Studien belegen eindeutig, dass traditionelle Besatzmaßnahmen (Viel hilft viel) keine nachhaltige Steigerung der Fischbestände zur Folge haben. Hierbei wurde in der Vergangenheit leider nur viel Geld verbrannt. Aber es gab auch positive Erkenntnisse.
Studie: Baggersee-Projekt (Laufzeit 6 Jahre)
In einem großangelegten Ganzsee-Experiment in Zusammenarbeit mit dutzenden Angelvereinen des Anglerlverbands Niedersachsen e.V. wurden in 20 Baggerseen über einen Zeitraum von 6 Jahren verschiedene Hegemaßnahmen wie Fischbesatz, Einbringen von Totholz und Anlegen von Flachwasserzonen und deren Auswirkungen auf Fischbestände untersucht.
Das Kernergebnis: In Baggerseen, in denen Flachwasserbereiche mit einer aktiven Röhrichtzone geschaffen wurden, stieg der Fischbestand nachhaltig an. Flachwasserbereiche sind für viele Fischarten ökologisch unverzichtbar und dienen als Refugien, Laichplätze und Aufwuchs-Gebiete für Jungfische.
Das Einbringen von Totholz hatte nur in einzelnen Seen bedingt positive Effekte. Fischbesatz mit typischen Fischarten wie Hecht, Zander, Brasse, Rotauge und Schleie misslang und steigerte die Bestände nicht.
„Die Wiederherstellung zentraler ökologischer Prozesse und Lebensräume – das ökosystembasierte Lebensraummanagement – kann Fischbestände nachhaltiger schützen und fördern als eng auf einzelne Arten ausgerichtete Maßnahmen wie Fischbesatz“, erklärt Johannes Radinger als Hauptautor der Studie.
Studie: Knielinger See (Laufzeit 4 Jahre)
In vielen Gewässern Baden-Württembergs (gilt auch für andere Bundesländer) können sich derzeit keine gesunden und natürlichen Fischbestände entwickeln. Verantwortlich hierfür sind eine ganze Reihe von Faktoren. Sehr häufig stehen jedoch zwei Einflussgrößen unter Verdacht, eine besonders wichtige Bedeutung zu haben: Die Eintönigkeit und Strukturarmut der Unterwasserlandschaften und der Fraßdruck durch Kormorane. Diese beiden Faktoren bildeten im Rahmen des Totholzprojekts am Knielinger See die zentralen Untersuchungsinhalte.
Seit langem werden Lösungsansätze gesucht, um der “Kormoranproblematik” effektiv begegnen zu können. Auch die gezielte Einbringung von Schutzstrukturen für Fische wird dabei als ein möglicher Ansatz genannt, der in der Praxis bisher jedoch kaum erprobt wurde.
Totholz in Gewässern
Abgestorbene Äste und ganze Bäume, so genanntes “Totholz”, könnten für Fische solche Schutzstrukturen bieten. So übt Totholz in Gewässern viele wichtige Funktionen für aquatische Lebewesen aus. Auch für viele Fische stellen Totholzbereiche attraktive Lebensräume dar. So wird durch Totholz die Lebensraumvielfalt erhöht und die Nahrungsgrundlage für Fische verbessert. Totholzstrukturen bieten Fischen zudem Versteckmöglichkeiten und daher Schutz vor Räubern. Aus diesem Grund ging man bis heute davon aus, dass auch die Auswirkungen von fischfressenden Vögeln, insbesondere von Kormoranen, durch Totholzeinträge reduziert werden können.
Insgesamt wurden 244 Totholzbündel (je 4 m lang und 1 m im Durchmesser) zumeist genau im Zielbereich auf einer Fläche von ca. 1.900 qm versenkt. Dies entsprach einer Holzmenge von etwa 50 Tonnen. Dieser „neue Lebensraum“ hatte ein Volumen von 2.300 cbm.
Fische werden von der Struktur angezogen. Kormorane jagen dann bevorzugt in diesem Bereich.
Das Ergebnis: Diese „Totholzburg“ bildete die einzige Struktur in dem Baggersee und übte eine direkte Sogwirkung auf die Fische aus. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Kormorane hauptsächlich über dieser Stelle jagten und auch Erfolg hatten. Somit konnte eindeutig festgestellt werden, dass Totholz allein eine eher nachteilige Wirkung auf den Fischbestand hat.
Fazit:
Vorausgegangene Untersuchungen und auch die beiden hier angeführten Studien zeigen eindeutig: Fischbesatz hat nur einen kurzfristigen Nutzen und ist ökologisch kritisch zu sehen. Totholz allein hat nur einen geringen Nutzen.
Eine nachhaltige Steigerung des Fischbestands ist nur durch eine Flach-wasserzone mit aktiver Röhrichtzone sowie einer geschützten Struktur im Gewässer zu erreichen.